Roman Hillebrand

Geschichte einer Hassliebe

Ist Hassliebe nicht auch eine Art von Liebe? Und ist Abneigung nicht auch eine Form von Aufmerksamkeit? Hätte mir jemand vor einem halben Jahr gesagt, dass ich nach Warschau gehe, hätte ich spöttisch aufgelacht. Etwas hat sich verändert.

01. September 2018

Am Anfang war das Bauchgefühl: Raus in die Welt, Sturm und Drang. Dann kam der Entschluss zum freiwilligen Auslandssemester. Wohin? Egal, Hauptsache weg. Erstwunsch abgelehnt, Zweitwunsch nicht angenommen. Also nach Warschau.

So richtig Lust hatte ich nicht auf den Osten. Kenne ich schon, war ich schon, ist mir persönlich zu nahe. Am Gymnasium hatten wir ein Austauschprogramm, über das ein Pole für ein paar Tage mit mir gewohnt hat. Dann war ich schon in Polen im Ferienlager; klar, von meiner Heimat Sachsen aus ist das nicht weit. Sechs Jahre Russischunterricht und zwei Reisen nach Moskau gaben mir zusätzlich das Gefühl, erst einmal andere Regionen kennenlernen zu müssen.

Das Gesetz der Anziehung oder: Plötzlich ergibt es Sinn

Und dann wurde mir klar, dass es nur konsequent ist, nach Warschau zu gehen. Eben gerade weil ich eine Beziehung dazu habe. Je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr Parallelen finde ich in meinem Leben: einige Freunde waren dort und fanden es super; unser polnischer Austauschprofessor im Uni-Seminar; familiäre Wurzeln in Stettin; Russisch und Polnisch sind verwandt, was das Erlernen leichter machen würde. Das Bild in meinem Kopf verstetigte sich.

Warschau – zwischen Karpaten und Ostsee, zwischen Nordeuropa und Balkan, zwischen Paris und Moskau. Geprägt von Besatzung, Unabhängigkeitsstreben und Identitätssuche. Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, mag sich noch daran erinnern, dass Polen drei Mal geteilt und besetzt wurde. Dann die Weltkriege und der Eintritt in den Ostblock. Zum Ende des Kalten Krieges die Wende, wirtschaftliche Turbulenzen und der EU-Beitritt. Gegenwärtig gewinnen rechtskonservative und extremistische Gruppen an Einfluss gegenüber dem zivilgesellschaftlichem Geist, der den sowjetrussischen Einfluss verdrängt hat. Gleichzeitig wird Warschau als „Paris des Ostens“, als hippe Metropole mit Raum für Kulturschaffende gehandelt.

Warschau, du Mysterium

Wie kann ein Land solche Reibungen und Konflikte aushalten? Und wie wird das Potenzial positiv genutzt? Diese Fragen sollen mich auf meiner Reise begleiten. Ich möchte verstehen, welchen Ursprung diese Prozesse haben. Jede Woche gehe ich einer anderen Facette der polnischen Kultur nach und wie ich sie dort im Alltag wahrnehme. Zusätzlich poste ich vor und nach dem eigentlichen Aufenthalt, damit ihr meinen persönlichen Annäherungsprozess nachvollziehen könnt.

Seid meine Begleiter auf dieser Reise, denn zusammen sieht man mehr, als allein. Deshalb lest meine Beiträge und schreibt euer Feedback in die Kommentare. Und um die Wartezeit zu vertreiben, folgt mir auf Instagram (@warschau_wider_willen). Dort erwartet euch ein kurzweiliges Reisetagebuch, das mit Anekdoten und besonderen Momenten gefüllt werden wird.

Warszawo, ty tajemnico, do zobaczenia!

(Warschawo, tij tajemnizo, do sobatschenia!/ Warschau, du Mysterium, wir sehen uns!)